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Spiele
Junge in Bergamo / Italien
Weniger denn je gleicht eine Fotografie einem Fenster, das einen Blick auf die Welt eröffnet, sondern sie gleicht eher einem Spiegel, in dem der Betrachter sich selbst erblickt. Fremdbeobachtung wäre in ästhetischen Zusammenhängen auf Selbstbeobachtung umzustellen.
Warum rührt das gleiche Bild die eine oder den einen zu Tränen, während es den anderen oder die andere vollkommen kalt lässt? Warum erzielt man bei der Diskussion über die Qualität eines Bildes oftmals keine Einigung, trotz der sachlichen Hinweise und der Überzeugungskraft der Argumente, die man vorbringt. Warum sehen Frauen Bilder anders als Männer, Alte anders als Junge, Angehörige der gleichen Kultur anders als Betrachter, die aus fremden Kulturen stammen?
Kinder in Bergamo / Italien
Es gibt bekanntlich keine Bilder unabhängig von Beobachtern. Beobachter können immer nur das nehmen, was sie ihrerseits auch geben können und geben wollen, was sie aufgrund ihrer jeweiligen visuellen, gedanklichen, gefühlsmäßigen oder auch sprachlichen Möglichkeiten unterscheiden können. In Abwandlung einer Überlegung von Marcel Proust zum Lesen von Literatur könnte man sagen: In Wirklichkeit ist jeder Beobachter, wenn er beobachtet ein Beobachten nur seiner selbst. Das Werk des Künstlers ist dabei lediglich eine Art von optischem Instrument, das der Künstler dem Beobachter reicht, damit er erkennen möge, was er in sich selbst vielleicht sonst nicht hätte erschauern können.
Cours Camarguaise / Frankreich
Wir sehen keine Zeichen, Linien oder Farben pur, sondern – und man kann in der Tat so hoch greifen – immer auch „Lebensbilder“. Die Bilder der Kunst erscheinen als Spiegelungen und Irritationen unserer eigenen Lebensbilder. Deshalb rühren Bilder, ermöglichen Stimmungen zwischen Liebe, Hass, Angst oder Gleichgültigkeit. Was sich anlässlich von Bildern ereignet, übersteigt in jedem Fall die Ebene der reinen Zeichen. Die Wirkungen von Bildern liegen gerade in jenen Resten, die nicht unmittelbar augenfällig sind - in den jeweiligen Erfahrungen anlässlich von Bildern.

Fotografien war noch nie eine Momentaufnahme. Das könnte höchstens der Fotoapparat selber so sehen (wenn er denn etwas sagen könnte). Aber kein Betrachter kann eine Momentaufnahme augenblickshaft sehen, weil es keinerlei Situationen der Moment-Abnahme geben kann: Die Konstruktionen des Betrachters, seine unvermeidlichen Sinngebungen ereignen sich stets in einer Zeit, die über den Moment hinausgeht. Auch radikale Momentaufnahmen verbrauchen Zeit in der Rezeption, auch die Momentaufnahmen werden zu einer kleinen (Film-) Geschichte.